Sozialarbeit im Trümmerland – 1948–1951 – Einst galt Hildesheim als schönste Fachwerkstadt Deutschlands. Kurz vor Kriegsende war sie Opfer eines Bombenangriffs. 1948 erhielt die Autorin hier als Sozialarbeiterin eine neue Aufgabe. Notizen zu ihrer Arbeit schrieb sie in die "Schwarze Kladde". Als ihr Ehemann das Heft Anfang der Siebziger beim Aufräumen in die Finger bekam, kommentierte er in etwa so: »Adoption und Sorgerecht – ein aussichtsloser Fall? – Ist Onanie ansteckend? – Wie man Fürsorgeerziehung verhindern kann. – Mein flottes Mündel und – der nette Kaplan? – Ei, gab es sowas auch? – Von todbringender Hysterie??« Und zur Frage "Weg oder wichtig?" meinte er: »Das interessiert heute niemanden mehr!«
Liesel Hünichen aber wollte das Thema nicht zu den verschwiegenen Kriegserinnerungen und der verdrängten Nachkriegsnot legen. »Unsere Geschichte ist nicht nur Vergessen, es steckt auch eine Verpflichtung gegenüber späteren Generationen darin.« So wurde die Kladde 2016 zum Buch. In einer Zeit, in der das Trümmerland im relativen Abstand zu unserem Deutschland liegt. Wir wollen es nicht vergleichen mit den zwei Millionen Flüchtlingen, die aus den verlorenen Ostgebieten kamen, um hier in Ställen, Scheunen und Waschküchen ein neues Leben zu beginnen. Ging es nicht immer um das nackte Leben? Die Schicksale um Hunger, Tod und Leben gleichen sich. Die Kulissen haben sich verändert – und nicht nur sie.