Von der »Stunde Null« werden unsere Enkel einmal lesen. War sie nicht im Mai des Jahres 1945 – die Stunde Null, in der alles Gewesene versunken ist in die Vergangenheit, in eine böse, grausame kriegerische Vergangenheit?
Sie war auch die Stunde, in der Neues begann, die Zukunft! Und ist Neues nicht immer besser, schöner, wahrhaftiger, menschlicher und fortschrittlicher als die Vergangenheit?
Und da ich, während ich meine Erinnerungen ordne, vierundneunzig Jahre alt bin, gehe ich zurück in die Zeit, als diese Vergangenheit begann, die grausame, böse Vergangenheit, die in einem Fiasko aus Blut und Chaos endete. Die Vergangenheit begann im Jahr 1933. Wir sangen damals »Freiheit, die ich meine«, das Lied von Max von Schenkendorf (1813), der in einer Vergangenheit gelebt hatte, die ein Jahrhundert vorher begonnen hatte.
Alle deutschen Kinder und Jugendliche, die aus einer bürgerlichen Selbstverständlichkeit heraus der »Hitlerjugend«, den »Pimpfen« und dem »Bund Deutscher Mädel« angehörten, hatten inbrünstig gesungen:
»Heilig Vaterland, in Gefahren – deine Söhne sich um dich scharen«.
Sie hatten sich »geschart« und waren in einen Krieg gezogen, der in einer beispiellosen Katastrophe für »Volk und Vaterland« endete. War dieses Ende im Mai 1945 »die Stunde Null«? Mir begegnete sie rund sechs Wochen vorher an einem Tag, der wohl als schönster Frühlingstag meines Lebens begann – und an dem alle Träume endeten. Alle Träume von der besungenen herrlichen kommenden Zeit. Das war »meine Stunde Null« – und keine Uhr konnte ihre Dauer messen. Die Zeit stand still ... Keine Uhr konnte ihre Dauer messen.
ISBN 978-3-944459-40-0 / Softcover / 236 S. (auch als E-Book)